Die wahre Geschichte hinter UNSTOPPABLE - AUSSER KONTROLLE

Bild von Sebastian Lorenz
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Die Irrfahrt des „Crazy 8888“ - Das reale Ereignis hinter der Geschichte von Unstoppable - Ausser Kontrolle. Für das Personal auf dem Güterbahnhof „Stanley Yard“ nahe der Stadt Toledo im US-Bundesstaat Ohio war es ein ganz normaler Arbeitstag. Leichter Regen, etwas kühl für diese Jahreszeit, ansonsten aber keinerlei Besonderheiten an jenem 15. Mai 2001. Bis dann kurz nach Mittag der Zug mit der Kennung CSX 8888 das Gelände verließ. Angetrieben von einer Lok mit 3.000 PS setzten sich 47 Waggons, zum Teil beladen mit giftigen Chemikalien, in Richtung der Stadt Kenton in Bewegung. Ohne Zugbesatzung.

Ein Missverständnis mit dramatischen Folgen
Das Arbeitsteam mit der Nummer Y11615, zu welcher ein Lokführer, ein Schaffner und ein Bremser gehörten, hatte sich um 6:30 Uhr auf dem Stanley Yard zum Dienst gemeldet und zunächst diverse Routinearbeiten durchgeführt. Um 12:30 Uhr erhielt das Team dann einen Rangierauftrag für Lokomotive CSX 8888. 47 Waggons sollten angekoppelt und der Zug anschließend auf einem anderen Gleis abgestellt werden.

Wie bei solchen Arbeiten üblich wurden die Druckluftschläuche zwischen der Lok und den Waggons nicht verbunden, sodass die Luftdruckbremsen während dieses kurzen Manövers inaktiv blieben. Anfangs verlief der Rangiervorgang ohne Probleme, doch dann hatte eine harmlos erscheinende Kommunikationspanne zwischen Schaffner und Lokführer ungeahnte Konsequenzen.

Als der Zug sich kurz vor der gewünschten Zielposition befand, informierte der Schaffner seinen Kollegen in der Lok per Funk, dass er nun anhalten müsse - jedoch bekam er mehrfach keine Rückmeldung aus dem Führerstand. Der Lokführer hatte die Anweisungen missverstanden und glaubte, der Zug solle erst ein Stück weiter an einer Weiche, die noch nicht korrekt gestellt worden war, gestoppt werden.

2.628 Tonnen Stahl geraten außer Kontrolle
Wenige Augenblicke später bemerkte er, dass er den Zug auf den nassen Gleisen unter Umständen nicht rechtzeitig vor der betreffenden Weiche zum Stehen bekommen würde. So fasste er den - nicht ganz vorschriftsmäßigen - Entschluss, kurz aus den Führerstand zu springen, um selbst die Weiche zu stellen, den Zug wieder zu besteigen und danach auf der dann ausreichend langen Strecke anzuhalten. Zu diesem Zeitpunkt ging der Lokführer fälschlicherweise davon aus, das von ihm nun aktivierte Bremssystem würde den Zug während seiner Abwesenheit weiter verlangsamen - was aufgrund eines Bedienfehlers aber fatalerweise nicht passierte. Im Gegenteil.

Statt bei der momentanen Geschwindigkeit von 13 km/h den Bremsvorgang einzuleiten, hatte der offenbar überforderte Mann die Motoren auf volle Leistung gestellt und dadurch gleichzeitig das Notfallbremssystem außer Kraft gesetzt. Während der Lokführer abstieg und nach vorn zur Weiche rannte, begann der CSX 8888 an Fahrt aufzunehmen. Der Versuch des Lokführers nach der gelungenen Weichenstellung, wieder auf den Zug aufzuspringen, misslang. Bei einem Tempo von inzwischen 19 km/h schaffte er es nicht mehr, sich an der nassen Leiter der Lok hochzuziehen. Er stürzte zu Boden und konnte dem außer Kontrolle geratenen „Crazy 8888“ nur noch hinterhersehen.

Gefährliche Fracht: Tausende Liter Phenolsäure
Um 12:38 Uhr, wenige Minuten nach diesem Vorfall, waren bereits die örtlichen Behörden und die Ohio State Police über den unbemannten Zug informiert worden, der nicht nur wegen seiner ungeheuren Masse eine Bedrohung darstellte. Zusätzliche Brisanz erhielt die Irrfahrt gen Süden dadurch, dass sich in zwei der 22 beladenen Tanks giftige Phenolsäure befand. Eine knappe Stunde später schlug ein erster gezielter Versuch, den Geisterzug zu stoppen, fehl. Eine auf der Strecke platzierte Sperre, die den Stahlkoloss zum Entgleisen bringen sollte, durchbrach dieser mühelos. Ein neuer Plan musste her.

Zug Q63615, welcher zu dieser Zeit in entgegengesetzter Richtung nach Norden fuhr, wurde vom Fahrdienstleiter auf ein Nebengleis umgeleitet; die Besatzung erhielt die Anweisung, alle Waggons abzukoppeln. Um 14:05 Uhr passierte der führerlose Zug diese Stelle auf dem nebenliegenden Hauptgleis - dahinter scherte Zug Q63615 auf die Hauptstrecke ein und nahm die Verfolgung in südlicher Richtung auf.

Improvisiertes Rettungsmanöver in zwei Akten
Bis Kenton hatte es die Crew von Q63615 geschafft, sich dem vor ihnen inzwischen mit 82 km/h voranpreschenden „Crazy 8888“ so weit zu nähern, dass sie an dessen letzten Waggon ankoppeln konnten. Durch dieses außergewöhnliche Manöver, das in keinem Handbuch zu finden war, hatten sie eine feste Verbindung zwischen beiden Zügen hergestellt, woraufhin der Lokführer versuchte, den CSX 8888 mit dessen 47 Waggons durch Abbremsen der nun hinten angehängten eigenen Lok unter Kontrolle zu bringen. Der Bremsvorgang musste jedoch mit äußerster Vorsicht vorgenommen werden, damit sich die beiden Züge nicht wieder voneinander lösten.

An der Bahnkreuzung zur Route 31 südlich von Kenton hatte sich der 52-jährige John Hosfeld, ein erfahrener Arbeiter der Eisenbahngesellschaft „CSX Transportation“, derweil bereits für den finalen Akt der Rettungsaktion in Stellung gebracht - in der Hoffnung, die Besatzung von Zug Q63615 würde zunächst das erste Bremsmanöver erfolgreich durchführen können. Und tatsächlich war es der Crew gelungen, die Geschwindigkeit des Stahlkolosses bis zu jener Kreuzung bereits auf 18 km/h zu drosseln. Hosfeld nutzte die Gelegenheit, um neben der unbemannten Lokomotive mitzulaufen und aufzuspringen. Er betätigte den Bremshebel und der Zug kam zum Stehen.

Nach knapp zwei Stunden und über 100 zurückgelegten Kilometern hatte die Besatzung von Zug Q63615 zusammen mit John Hosfeld den außer Kontrolle geratenen „Crazy 8888“ endlich wieder eingefangen.

Ab dem 11. November läuft diese unglaubliche Geschichte in den deutschen Kinos an. In den Hauptrollen von Unstoppable -Ausser Kontrolle sind Chris Pine, Denzel Washington und Rosario Dawson zu sehen.